Wie Meta und Co. von Marlboro lernten – und warum die Tabak-Strategie heute im Silicon Valley weiterlebt.
Die Tabak-Strategie: „Smoking is a personal choice“
Bis in die späten 1980er-Jahren verfolgte die Tabakindustrie eine klare Strategie, um staatliche Eingriffe zu verhindern. Interne Dokumente und Werbeanzeigen des Tobacco Institute – etwa die bekannte Anzeige „A word to smokers“ – betonten ausdrücklich, dass das Rauchen eine „persönliche Entscheidung“ sei. Mit Formulierungen wie „Smoking is a personal choice“ wurde die Verantwortung für gesundheitliche Folgen vollständig auf den einzelnen Konsumenten abgewälzt. Regulierungsversuche galten in diesem Narrativ als unzulässiger Eingriff in die individuelle Freiheit.
Heute greifen Tech-Unternehmen in der Debatte um Jugendschutz zu ähnlichen Mitteln – mit neuem Ton, aber vertrauter Taktik.
Verantwortungsverschiebung: Eltern im Fokus
Ein aktuelles PR-Narrativ, das von Plattformen sowie von ihnen nahestehenden Organisationen und Lobbyistinnen getragen wird, betont, es gehe nicht darum, Jugendliche auszuschließen, sondern ihnen sichere digitale Teilhabe zu ermöglichen. Die Verantwortung für Schutz und Kontrolle wird dabei gezielt den Eltern übertragen. Wer sein Produkt nicht ändern will, erklärt die Risiken zur Privatsache. Zugleich sollen Eltern künftig über App-Installationen ihrer Kinder informiert werden – ähnlich wie bei In-App-Käufen. Aber auch hier wird Verantwortung einfach ausgelagert: weg von der Plattform, hin zu den Nutzer*innen.
Ein weiteres PR-Narrativ, dass die Social Media Plattformen gerne zeichnen: „Auch Kinder haben Rechte“ – und heben hervor, dass digitale Teilhabe ein wichtiges Recht sei, verbunden mit Bildung, Kreativität und gesellschaftlicher Integration. Damit entsteht ein positives Bild: Die Plattform wird als Ermöglicher dargestellt, nicht als Risiko.
Verantwortung individualisiert – Profit plattformisiert
Beide Branchen zielen letztlich darauf ab, staatliche Regulierungen abzuwehren – und bedienen sich derselben rhetorischen Strategie. Die eine spricht von „freier Wahl“, die andere von „digitaler Teilhabe“. In beiden Fällen wird Verantwortung individualisiert, während strukturelle Probleme unangetastet bleiben.
Schlussbetrachtung: Schützen diese Maßnahmen wirklich?
Diese Parallele ist beunruhigend: Auch wenn sich Sprache und Technologie verändert haben, bleibt das Muster gleich. Wer Regulierung vermeiden will, verlagert Verantwortung – ob auf Einzelne wie bei der Tabakindustrie oder auf Eltern wie bei Social Media. Doch die eigentlichen Risiken bleiben bestehen.
Wir müssen daher fragen: Schützen diese Maßnahmen wirklich – oder schützen sie vor allem die Unternehmen selbst?