Skip to main content

Snapchat ist aus dem digitalen Alltag vieler Kinder und Jugendlicher in Österreich nicht mehr wegzudenken. Die App besticht durch ihre spielerische Aufmachung, die ephemere Natur der Inhalte und das Gefühl ständiger Verbundenheit. Doch eine populäre Funktion, die Snap Map, birgt erhebliche Risiken, die oft im Verborgenen bleiben und die Sicherheit sowie die Privatsphäre von Minderjährigen gefährden können.

Dieser Artikel analysiert die Funktionsweise der Snap Map, beleuchtet die psychologischen und physischen Gefahren, die aus der permanenten Standortfreigabe resultieren, und ordnet das Thema in den aktuellen regulatorischen Kontext in Österreich und der EU ein. Abschließend bietet er Eltern eine konkrete, neu strukturierte Anleitung, um die digitalen Aktivitäten ihrer Kinder sicherer zu gestalten.

Mehr als ein Spiel: Die Funktionsweise und Anziehungskraft der Snap Map

Auf den ersten Blick wirkt die Snap Map wie eine harmlose, interaktive Weltkarte. Nutzer:innen sehen dort ihre Kontakte als personalisierte Avatare (Bitmojis), die sich in Echtzeit bewegen. Die App visualisiert nicht nur den genauen Aufenthaltsort, sondern auch Aktivitäten wie Gehen oder Autofahren. Diese Gamification schafft ein starkes Gefühl der sozialen Nähe und Verbundenheit. Zu sehen, wo sich Freund:innen aufhalten, kann die Angst, etwas zu verpassen (FOMO – Fear of Missing Out), reduzieren und das Gefühl der Zugehörigkeit stärken. Genau diese psychologische Anziehungskraft macht die Funktion jedoch problematisch, da sie Kinder dazu verleitet, sensible Bewegungsdaten preiszugeben, ohne die Konsequenzen vollständig zu erfassen.

Von der digitalen zur realen Welt: Die Eskalation der Risiken

Die Gefahren der Snap Map lassen sich in zwei Ebenen unterteilen: die internen, psychosozialen Dynamiken innerhalb der Peergroup und die externen Bedrohungen durch den Missbrauch der Standortdaten.

Psychosozialer Druck und soziale Überwachung

Die ständige Sichtbarkeit auf einer Karte fördert eine Kultur der sozialen Überwachung unter Gleichaltrigen. Das Wissen über den Aufenthaltsort anderer wird zur Grundlage für soziale Kontrolle und Erwartungsdruck. Dies kann zu ungesunden Beziehungsdynamiken führen und erheblichen Stress verursachen, wie wissenschaftliche Studien bestätigen 1. Kinder fühlen sich oft gezwungen, ihren Standort permanent zu teilen, um nicht als Außenseiter zu gelten oder Misstrauen zu erregen. Das Deaktivieren der Funktion über den sogenannten „Geistmodus“ wird somit zu einem sozialen Statement, das begründet werden muss.

Externe Bedrohungen: Wenn Fremde zusehen

Die größere Gefahr entsteht, wenn die Freundeslisten auf Snapchat über den engen Freundeskreis hinausgehen und auch flüchtige Bekannte oder Fremde umfassen. In diesem Fall werden private Bewegungsprofile für einen unkontrollierbaren Personenkreis einsehbar. Dies öffnet Tür und Tor für verschiedene Formen des Missbrauchs:
Cyber-Grooming: Täter:innen können die detaillierten Standortdaten nutzen, um die Gewohnheiten, den Schulweg oder den Wohnort eines Kindes auszuspähen und eine gezielte sexuelle Anbahnung vorzubereiten.
Stalking und Belästigung: Die Echtzeit-Informationen können genutzt werden, um ein Kind im realen Leben aufzusuchen, zu belästigen oder einzuschüchtern.
Mobbing: Das Wissen über den Aufenthaltsort kann missbraucht werden, um ein Kind gezielt bloßzustellen, Gerüchte zu verbreiten oder es von sozialen Aktivitäten auszuschließen.

Regulatorischer Rahmen: Die Antwort von EU und Österreich

Die Risiken von Plattformen wie Snapchat sind auch auf politischer Ebene erkannt worden. Der Digital Services Act (DSA) der EU nimmt insbesondere sehr große Online-Plattformen in die Pflicht, den Schutz von Minderjährigen zu gewährleisten. In diesem Kontext hat die Europäische Kommission bereits im Oktober 2025 eine Untersuchung gegen Snapchat eingeleitet, um die Wirksamkeit der Altersverifizierung und anderer Jugendschutzmaßnahmen zu prüfen 2.
In Österreich wird parallel eine Verschärfung der nationalen Gesetze diskutiert, die unter anderem ein Nutzungsverbot von kommerziellen sozialen Netzwerken für Kinder unter 16 Jahren vorsieht 3. Diese Entwicklungen zeigen, dass der Druck auf Plattformen wächst, mehr Verantwortung zu übernehmen. Dennoch bleibt die elterliche Begleitung die wichtigste Säule des Jugendschutzes.

Ein proaktiver Leitfaden für Eltern

Anstatt reaktiv auf Vorfälle zu warten, können Eltern proaktiv handeln. Eine Kombination aus technischen Anpassungen und pädagogischer Begleitung ist hierbei der effektivste Ansatz.

Technische Sicherheitsvorkehrungen: Ein 4-Punkte-Plan

Die folgenden Einstellungen sollten gemeinsam mit dem Kind vorgenommen werden, um Transparenz zu schaffen und die Entscheidungen nachvollziehbar zu machen.
Priorität
Einstellung
Empfohlene Konfiguration & Ziel
1. Höchste Priorität
Standortfreigabe (Snap Map)
Geistmodus aktivieren: Verhindert, dass der Live-Standort für andere sichtbar ist. Dies ist die wichtigste Schutzeinstellung.
2. Kontaktkontrolle
Wer mich kontaktieren darf
Nur Freunde: Stellt sicher, dass nur bestätigte Kontakte Nachrichten senden können, was die Kontaktaufnahme durch Fremde unterbindet.
3. Inhaltskontrolle
Wer meine Story sehen darf
Nur Freunde (oder Benutzerdefiniert): Beschränkt die Sichtbarkeit von persönlichen Inhalten auf einen vertrauenswürdigen Personenkreis.
4. Sichtbarkeitskontrolle
Mich unter ‚Quick Add‘ sehen
Deaktivieren: Reduziert die Wahrscheinlichkeit, dass das Profil des Kindes Fremden als Kontakt vorgeschlagen wird.
Die Aktivierung des Geistmodus ist unkompliziert und in den Einstellungen unter dem Punkt „Meinen Standort anzeigen“ zu finden 4.

Digitale Souveränität fördern

Die Snap Map ist ein Beispiel für eine Funktion, deren Risiken in ihrem spielerischen Design verborgen liegen. Die permanente Preisgabe des eigenen Standorts normalisiert eine Form der Überwachung, deren Konsequenzen Kinder kaum absehen können. Die wirksamste Schutzmaßnahme ist daher nicht die technische Limitierung allein, sondern die Befähigung der Kinder zu digitaler Souveränität. Ein aufgeklärtes Kind, das den Wert seiner Privatsphäre versteht und in einem vertrauensvollen Austausch mit seinen Eltern steht, ist am besten gegen die Gefahren der digitalen Welt gewappnet.

Quellen