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Eine Entscheidung des österreichischen Obersten Gerichtshofs (OGH) rüttelt an einem Kernpfeiler von Metas Datenökonomie in Europa: Personalisierte Werbung auf Basis umfangreicher Datenverarbeitung braucht eine wirksame, freiwillige Zustimmung – reine Konstruktionen “ohne echtes Opt-in” halten der Prüfung nicht stand.

Nach einem elfjährigen Rechtsstreit, angestoßen vom österreichischen Datenschutzaktivisten Max Schrems, hat der OGH wesentliche Punkte klargestellt, die über Österreich hinaus Wirkung entfalten können. Das Gericht kommt zum Ergebnis, dass Meta im konkret beurteilten Modell (die rechtliche Beurteilung bezieht sich dabei auf die Lage bis 2020) zentrale Datenschutzanforderungen verletzt hat. Für Millionen Nutzer:innen – darunter unzählige Lehrkräfte und Eltern, die Meta-Plattformen privat oder im schulischen Umfeld nutzen – ist das Urteil vor allem eines: ein starkes Signal, dass Datenschutzrechte durchsetzbar sind.

Der österreichische Fall mit europäischer Sprengkraft

Im Kern des Verfahrens stand die Frage, ob Meta Daten seiner Nutzer:innen – inklusive Daten aus Drittquellen (z. B. über eingebundene Dienste, Webseiten und Apps) – für personalisierte Werbung verarbeiten darf, ohne eine aktive, informierte und freiwillige Zustimmung einzuholen. Der OGH verneinte dies in den entscheidenden Punkten.

Besonders relevant: Das Urteil verpflichtet Meta, Max Schrems innerhalb von 14 Tagen umfassend Auskunft zu erteilen. Gemeint ist nicht nur „eine Datenkopie“, sondern ein vollständiger, strukturierter Einblick in die gespeicherten personenbezogenen Daten inklusive Informationen zur Herkunft, zu Empfänger:innen sowie zu den konkreten Verwendungszwecken. Das ist praktisch bedeutsam, weil es die Datennutzung aus der „Blackbox“ heraus holt – zumindest für den konkret durchsetzenden Nutzer.

Wichtig für die Einordnung: Es handelt sich um eine Entscheidung eines nationalen Höchstgerichts. Sie ist kein EuGH-Urteil und daher nicht automatisch „für alle“ unmittelbar bindend. Aber: Sie ist ein sehr starkes Argumentations- und Druckmittel für Nutzer:innen in der gesamten EU, wenn sie ihre Auskunftsrechte nach Art. 15 DSGVO konsequenter einfordern – und sie kann weitere Verfahren in anderen Ländern begünstigen.

Das Verfahren, das 2014 von Schrems und seiner Datenschutz-NGO noyb angestoßen wurde, lief durch mehrere Instanzen und wurde zweimal dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt. Die Hartnäckigkeit der Kläger hat damit einen Meilenstein im Datenschutzstreit mit Big Tech gesetzt.

Was das Urteil konkret bedeutet

1) Strengere Grenzen für Datenverarbeitung zur Werbepersonalisierung

Der OGH macht deutlich: Werbepersonalisierung, die auf weitreichender Datenerhebung und -verknüpfung basiert, braucht eine Zustimmung, die spezifisch, informiert, unzweideutig und freiwillig ist. Damit wird der rechtliche Spielraum enger für Modelle, die Einwilligung eher „konstruiert“ als tatsächlich eingeholt haben.

2) „Sensible Daten“: Art. 9 bleibt Art. 9

Das Gericht untersagt zudem die Verarbeitung sogenannter sensibler Daten (z. B. politische Ansichten, sexuelle Orientierung, Gesundheitsdaten) zu Werbezwecken, sofern keine Rechtsgrundlage nach Art. 9 Abs. 2 DSGVO vorliegt – in der Praxis ist das bei Werbung regelmäßig nur über ausdrückliche Einwilligung sauber abbildbar. Metas Argumentationslinie, man könne solche Daten technisch nicht sauber trennen oder verarbeite sie nicht „absichtlich“, ließ das Gericht nicht gelten.

Schrems’ Reaktion lässt sich sinngemäß so zusammenfassen: Wenn Plattformen Nutzerpräferenzen ableiten und nutzen, darf das nicht ohne klare Zustimmung passieren.

3) Schadenersatz: € 500 als Signal

Im Verfahren wurden € 500 Schadenersatz zugesprochen (in einem Teilurteil bereits früher im Prozesskontext festgelegt). Der Betrag ist nicht hoch, kann aber als praktischer Orientierungspunkt verstanden werden: Datenschutzverstöße können nicht nur aufsichtsrechtliche, sondern auch zivilrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Das umstrittene „Pay-or-Consent“-Modell auf dem Prüfstand

Das Urteil fällt in eine Zeit, in der Metas Geschäftsmodelle in Europa ohnehin unter Druck stehen – unter anderem wegen des „Pay-or-Consent“-Ansatzes: Nutzer:innen sollen entweder zahlen oder der Datenverarbeitung für personalisierte Werbung zustimmen.

Wichtig ist hier die präzise Einordnung: Auf EU-Ebene wurde dieses Modell nicht einfach „abgesegnet“, vielmehr steht Meta im Kontext neuer EU-Regeln (u. a. DMA) unter Auflagen und hat Anpassungen bzw. zusätzliche Optionen angekündigt. Das OGH-Urteil verschärft gleichzeitig den Fokus auf die Frage, ob eine Zustimmung unter wirtschaftlichem Druck tatsächlich als „freiwillig“ gelten kann. Genau hier dürfte eine der zentralen juristischen Streitlinien der kommenden Monate liegen.

Implikationen für den Bildungsbereich

Für Schulen, Lehrkräfte und Eltern in Österreich hat die Entscheidung besondere Signalwirkung. Soziale Netzwerke sind längst Teil des Alltags – zur Kommunikation, Organisation, Projektarbeit oder als Unterrichtsgegenstand. Das Urteil schärft das Bewusstsein dafür, dass „kostenlose“ Dienste oft mit einem Preis bezahlt werden: persönlichen Daten.

Gleichzeitig liefert es eine topaktuelle Steilvorlage für Unterricht und Elternarbeit – etwa für Diskussionen über:

  • Welche Daten geben wir preis, wenn wir soziale Medien nutzen?

  • Was bedeutet personalisierte Werbung – und wie beeinflusst sie Meinungen und Entscheidungen?

  • Welche Rechte haben wir als Nutzer:innen (z. B. Auskunft, Löschung, Widerspruch) – und wie setzt man sie praktisch durch?

Gerade im schulischen Kontext wird damit erneut deutlich: Wer Medien nutzt oder thematisiert, braucht klare Regelnund ein solides Datenschutzverständnis.

Das Urteil stärkt unbestreitbar die Position der Nutzer:innen gegenüber großen Plattformen. Es zeigt: Die DSGVO kann – konsequent angewendet – echte Auswirkungen auf datengetriebene Geschäftsmodelle haben.

Gleichzeitig macht die Verfahrensdauer deutlich, wie mühsam Rechtsdurchsetzung im Digitalbereich sein kann. Schrems kritisierte sinngemäß, dass DSGVO-Verfahren oft sehr lange dauern und große Unternehmen mit Zuständigkeitsfragen und Prozessstrategie Zeit gewinnen. (Diesen Punkt kannst du journalistisch gut herausarbeiten, ohne lange Originalzitate zu übernehmen.)

Was nun?

Die Entscheidung ist ein starkes Signal, aber sie entfaltet Wirkung vor allem dann, wenn sie konsequent genutzt und durchgesetzt wird – durch Nutzer:innen, Gerichte, Aufsichtsbehörden und die öffentliche Debatte.

Für Lehrkräfte und Eltern in Österreich unterstreicht das Urteil vor allem eines: Der mündige Umgang mit Daten ist keine Nische mehr, sondern eine zentrale Kompetenz. Wer Plattformen nutzt, sollte Transparenz einfordern – und wissen, welche Rechte man hat und wie man sie praktisch geltend macht.

Quellen

[1] Reuters (18.12.2025). Austria’s top court rules Meta’s ad model illegal, orders overhaul of user data practices in EU.
[2] noyb (18.12.2025). Austrian Supreme Court: Meta must give users full access to their data.