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Meta führt 2026 neue Kontrollfunktionen für Eltern ein, mit denen die Interaktion von Jugendlichen mit KI-Charakteren auf Instagram eingeschränkt werden kann – eine Reaktion auf wachsende Bedenken und den zunehmenden regulatorischen Druck aus der EU.

In einer Zeit, in der die Grenzen zwischen menschlicher und künstlicher Interaktion zunehmend verschwimmen, hat der Meta-Konzern am 17. Oktober 2025 neue Sicherheits- und Kontrollfunktionen für Eltern angekündigt [1]. Nur einen Tag, nachdem ein Ausschuss des Europäischen Parlaments weitreichende Maßnahmen zum Jugendschutz forderte, kommt dieser Schritt, der speziell auf die Nutzung von KI-Chatbots durch Jugendliche auf Instagram abzielt. Die neuen Werkzeuge sollen Erziehungsberechtigten mehr Transparenz und Steuerungsmöglichkeiten geben und sind ein klares Signal, dass die Tech-Giganten den politischen Wind aus Europa ernst nehmen.

Die neuen Kontrollfunktionen im Detail

Im Zentrum der Neuerungen stehen drei wesentliche Werkzeuge, die Eltern über das Familienzentrum von Instagram nutzen können. Doch hier zeigt sich bereits die erste Schwäche: Die Funktionen sollen erst Anfang 2026 – also in mehreren Monaten – und zunächst nur in den USA, Großbritannien, Kanada und Australien ausgerollt werden. Die EU ist zum Start nicht dabei. Warum ausgerechnet diese Länder, während ausgerechnet Europa den stärksten Druck aufbaut? Der Widerspruch ist offensichtlich: Die EU fordert strengere Maßnahmen, doch kein einziges EU-Land erhält die neuen Schutzfunktionen von Anfang an. Meta scheint die Forderungen aus Brüssel zwar rhetorisch anzuerkennen, die tatsächliche Umsetzung erfolgt jedoch zeitverzögert.

Neue Funktion Beschreibung
KI-Chats komplett deaktivieren Eltern können den 1:1-Chat ihrer jugendlichen Kinder mit allen KI-Charakteren vollständig unterbinden. Der allgemeine Meta-AI-Assistent für Suchanfragen bleibt jedoch mit altersgerechten Einschränkungen verfügbar.
Spezifische KIs blockieren Falls Eltern nicht alle KI-Interaktionen verbieten möchten, können sie gezielt einzelne KI-Charaktere blockieren, deren Verhalten oder Thematik sie als ungeeignet empfinden.
Einblicke in Chat-Themen Erziehungsberechtigte erhalten eine Zusammenfassung der Themen, über die ihre Kinder mit den KIs sprechen. Dies soll als Grundlage für Gespräche über KI und Online-Verhalten dienen, ohne die Privatsphäre durch das Mitlesen von Nachrichten zu verletzen.

Meta betont, dass diese Werkzeuge eine Ergänzung zu bereits bestehenden Schutzmaßnahmen sind. Dazu gehören die Einschränkung von KI-Antworten auf ein „PG-13“-Niveau (≈ ab 13 Jahren) und das Verbot von Gesprächen über sensible Themen wie Selbstverletzung oder Essstörungen [1].

Reaktion auf politischen Druck und öffentliche Meinung

Die Ankündigung von Meta kann als Reaktion auf den wachsenden Druck aus Brüssel verstanden werden – wenn auch nicht als direkte Folge. Am 16. Oktober 2025 stimmte der Binnenmarktausschuss des EU-Parlaments für weitreichende Forderungen, darunter ein De-facto-Verbot von süchtig machenden Designs und strengere Regeln für KI-Anwendungen, die sich an Minderjährige richten [2]. Die zeitnahe Reaktion von Meta zeigt die zunehmende Bedeutung der EU als globaler Taktgeber in der Digital-Regulierung.

Auch in Österreich dürfte die Ankündigung auf offene Ohren stoßen. Eine aktuelle Studie der Medienbehörde RTR vom 14. Oktober 2025 belegt eine hohe KI-Skepsis in der Bevölkerung: 72 % der Österreicher:innen sehen den KI-Einsatz in Medien kritisch, 85 % fordern eine menschliche Kontrolle über KI-Systeme [3]. Die neuen Kontrollfunktionen von Meta zahlen direkt auf diesen Wunsch nach mehr Aufsicht und Sicherheit ein.

Verantwortung abgeschoben?

Bei aller positiven Rhetorik von Meta bleibt eine zentrale Frage: Warum überlässt der Konzern die Verantwortung für potenziell problematische KI-Interaktionen den Eltern, anstatt selbst mehr auf präventive Maßnahmen zu setzen? Die neuen Tools verschieben die Verantwortung faktisch auf die Erziehungsberechtigten, die nun aktiv werden müssen, um ihre Kinder zu schützen. Meta selbst hätte jedoch die Möglichkeit, KI-Chatbots für Minderjährige grundsätzlich zu deaktivieren, strengere Altersverifikationen einzuführen oder manipulative Design-Elemente zu vermeiden.

Stattdessen setzt der Konzern auf ein Opt-out-Modell: Die KI-Chatbots sind standardmäßig verfügbar, sofern Eltern oder Jugendliche ihre Kontoeinstellungen nicht anpassen. Das setzt voraus, dass Eltern überhaupt von den neuen Funktionen wissen, sie technisch korrekt anwenden können und die Zeit haben, die digitalen Aktivitäten ihrer Kinder regelmäßig zu begleiten – für viele Familien ist das eine Herausforderung.

Besonders problematisch ist, dass Plattformen längst nicht mehr nur um Aufmerksamkeit konkurrieren. Mit KI-Chatbots zielen sie zunehmend darauf ab, intime, emotionale Beziehungen zu Jugendlichen aufzubauen. Die Chatbots sind so gestaltet, dass sie empathisch wirken, sich Gesprächsdetails merken und eine Illusion von Verständnis und Nähe erzeugen.

Expert:innen warnen, dass solche KI-Freundschaften Erwartungen an reale Beziehungen verzerren und reale Kontakte verdrängen können [4]. Sie müssen nicht zwangsläufig zu sozialer Vereinsamung führen – das Risiko, dass sie emotionale Bindungen ersetzen, ist jedoch real. Die neuen Kontrollfunktionen von Meta können hier eingreifen, lösen aber nicht das grundlegende Problem: Warum bietet Meta überhaupt KI-Systeme an, die emotionale Bindungen zu Minderjährigen fördern sollen?

Kritiker:innen sehen darin ein bekanntes Muster: Tech-Konzerne präsentieren Tools, die den Anschein von Verantwortung erwecken, während die strukturellen Probleme – wie algorithmische Verstärkung, manipulative Designs oder fehlende Altersverifikation – bestehen bleiben. Auch die neuen Einblicke in Chat-Themen werfen Datenschutzfragen auf: Meta betont, dass Eltern keine privaten Nachrichten lesen können, sondern nur thematische Übersichten. Dennoch bleibt offen, wie detailliert diese Übersichten ausfallen und wo die Grenze zwischen sinnvoller Aufsicht und Eingriff in die Privatsphäre verläuft.

Ausblick: Was bedeutet das für Familien in Österreich?

Auch wenn die neuen Funktionen erst Anfang 2026 und zunächst nur im englischsprachigen Raum starten, ist die Richtung klar: Plattformen werden zunehmend gezwungen, Eltern mehr Kontrolle zu geben. Für Familien in Österreich bedeutet das, dass ähnliche Funktionen mittelfristig auch hierzulande erwartet werden können.

Unabhängig von technischen Lösungen bleibt die Stärkung der Medienkompetenz die wichtigste Aufgabe für Eltern und Pädagog:innen. Die neuen Werkzeuge können unterstützen, aber sie ersetzen nicht das offene Gespräch über Chancen und Risiken Künstlicher Intelligenz. Es geht darum, Jugendliche zu befähigen, kritisch zu hinterfragen, mit wem – oder was – sie online interagieren, und die Mechanismen hinter den glänzenden Oberflächen der KI-Chatbots zu verstehen. Die American Psychological Association (APA) empfiehlt Eltern, die Gehirnentwicklung von Jugendlichen zu berücksichtigen, die sie besonders anfällig für Social-Media-Effekte macht, und regelmäßig über Online-Aktivitäten zu sprechen [5].

Quellen

[1] Meta Newsroom. (2025, 17. Oktober). Our Approach to Teen AI Safety: Empowering Parents, Protecting Teens. https://about.fb.com/news/2025/10/teen-ai-safety-approach/

[2] Europäisches Parlament. (2025, 16. Oktober). New EU measures needed to make online services safer for minors. https://www.europarl.europa.eu/news/en/press-room/20251013IPR30892/new-eu-measures-needed-to-make-online-services-safer-for-minors

[3] RTR Medien. (2025, 14. Oktober). Studie “KI und Medienvertrauen” der RTR Medien zeigt hohe Skepsis der Bevölkerung zum Einsatz von KI in Nachrichtenmedien. https://www.rtr.at/medien/presse/pressemitteilungen/Presseinformationen_2025/PI10142025Medien_VA_KI-Studie_Medienvertrauen.html

[4] Psychology Today. (2025, 29. September). AI Companions for Kids: Keeping Your Child Safe. https://www.psychologytoday.com/us/blog/growing-friendships/202509/ai-companions-for-kids-keeping-your-child-safe

[5] American Psychological Association. (2023, 9. Mai). Keeping teens safe on social media: What parents should know. https://www.apa.org/topics/social-media-internet/social-media-parent-tips